Dienstag, 16. März 2010
Neustart
Habe lange nichts mehr geschrieben hier. Das hatte schon seinen Grund, respektive seine Gründe.

Zuerst einmal wollte ich mich nicht mehr täglich mit der Problematik Alkohol aktiv auseinandersetzen. Der Alltag ohne Alkohol wurde normal und sollte es auch bleiben. Da gab's nichts mehr zu schreiben drüber.

Oder etwa doch? Ehrlich gesagt, ja doch. Hätte es durchaus gegeben. Aber die Ausnahmen, die ich mir gegönnt habe, wollte ich nicht hier breitschlagen. Vor allem deshalb, weil ich dafür kein Beispiel abgeben wollte.

Ganz kurz zusammengefasst lief meine philosophische Entgleisung (seit Entzug 1) so:

Kurz nach dem Entzug hielt ich «Kontroliertes Trinken« für einen romantisch-irren Gedanken.

Nach ein paar Monaten gönnte ich mir die erste scheue Ausnahme. Was verdünntes, harmloses.

Nach einem Jahr war für mich klar, dass der Weg zum «Kontrollierten Trinken» nur über die Abstinenz führen kann.

Nach drei Jahren häuften sich sowohl die Ausnahmen wie auch die Alkoholmenge pro Ausnahme. Ganz leicht nur, aber die Kurve stieg an. Später kamen dann schwierige Zeiten mit privaten Problemen und beruflichen Herausforderungen (huah gähn, die bekannte Melodie halt . . .). Das beste aber war der Irrglaube: Wenn ich einen Monat lang in ein arabisches Land fahre, löst sich das Problem fast von selbst wieder. Da wird die Abstinenz wieder zum Normalfall.

Da habe ich mich ja schön getäuscht. Am Anfang war das schon so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Das änderte sich aber bald. Und später, bei der Rückreise durch Spanien, da gab's kein Halten mehr. Zurück zu Hause musste ich mich ganz schön zusammenreissen, wieder in einen gesunden Alltag zurückzufinden. Dann ein weiteres privates Problem, eine weitere herausfordernde berufliche Situation und letztlich unglücklich verliebt. Der ganze Cocktail. Die Hoffnung verloren, habe ich mich gehen lassen.

Und seit letzten Samstag läuft also Entzug II. Mit Zittern und Schwitzen, das ganze Theater halt.

Im Vergleich zum ersten Entzug weiss ich dieses Mal von Anfang an, dass sich die Strapaze lohnt. Diese Erfahrung mache ich nun noch einmal. Und weil ich, bevor die Trinkerei wieder mehr oder weniger entgleiste (zum Glück nicht für sehr lange Zeit), etwas Gutes für mich tun wollte, habe ich vor etwas über einem Monat das Rauchen wieder eingestellt. Das kümmert mich im Moment zu allerletzt. Wünscht mir Glück, ich wünsch's Euch auch!

Stoe

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Mittwoch, 3. September 2008
Zwei Jahre
Nun sinds also zwei. Na und? :-)

Der Satz «Trinken Sie einfach mal drei Jahre nichts» hallt bei mir immer noch nach. Damals dachte ich: Wie denn auch? Heute dient mir die Erinnerung daran als Motivation, diese Forderung doch zu erfüllen. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass ich das mit Leichtigkeit schaffen werde.

Darüber hinaus bin ich daran, mir für die Zeit nach September 2009 ein neues Ziel zu fixieren. Nicht zu belastend, aber eben doch verpflichtend.

Was ich noch immer fürchte, ist der Übermut. Die Abstinenz wird immer selbstverständlicher, umso mehr ist sie gefährdet. Dass ich auch mit der einen oder anderen Ausnahme klar gekommen bin, wirkt jetzt nachteilig, da könnte ich überheblich werden. Gut, ich weiss darum und bleibe deshalb auf der Hut.

Euch allen gute Gesundheit!
Stoe

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Donnerstag, 23. August 2007
Vorbereitung
Vor einem Jahr um diese Zeit wusste ich: Bald ist's vorbei mit der Sauferei. Im Nachhinein gesehen war die Zeit, bevor ich den Vorsatz umsetzte, die mit Abstand schwierigste.

Um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, fixierte ich mich enorm darauf. Diese Konzentration kostete viel Energie, ich konnte kaum mehr arbeiten. Das Thema war omnipräsent, anderes hatte kaum mehr Platz. Für meine Partnerin wirkte ich gefühlskalt.

Meine Priorität war aber klar gesetzt. Alles andere würde in ein paar Wochen – in nüchternem Zustand – seinen Platz erhalten. Schritt für Schritt vorgehen, dafür konsequent, war meine Devise.

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Freitag, 9. März 2007
Entzug 9
Schluss und fertig



Ich war auf vieles vorbereitet, aber dass meine Partnerschaft nach über zehn Jahren ausgerechnet jetzt enden würde, war schlicht der Hammer. Als mir das bewusst wurde, war mir klar: Jetzt gehe ich mich besaufen. Mein zweiter Gedanke war: Genau das tue ich nicht!

Schwierig zu sagen, was passiert wäre, wenn. Ich zweifle ernsthaft, ob ich das überlebt hätte. Nüchtern habe ich die Krise aber (für mich selber in erstaunlicher Art) gemeistert. Von meinem Alkoholproblem war ich jetzt definitiv abgelenkt.

Ich zog schnell von zu Hause aus in die Region, wo ich aufgewachsen bin. Meine Freundschaften hatte ich über fast zwanzig Jahr über die Distanz bewahren können. Das kam mir fortan zu Gute. Beruflich schadete mir der Umzug überraschenderweise – trotz Selbständigkeit – nicht. Im Gegenteil, bald setzte ein Aufschwung ein, wie ich ihn noch nie erlebt hatte.

Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie mir in den letzten Monaten Flügel gewachsen sind. Der diskrete, aber wohlwollende Support meiner Freunde empfinde ich als riesiges Geschenk. Das Geschäft läuft wie geschmiert. Ich denke positiv und habe den Kopf voller Flausen. Alte Träume habe ich wieder ausgegraben. Teils lebe ich sie hemmungslos aus, Anderes bleibt Traum.

Es gibt zwei Dinge, die mir hin und wieder fehlen: Eine Person zum Anlehnen, zum Umarmen. Und mich wieder einmal so richtig gehen zu lassen, mich ganz zu vergessen oder gar die Kontrolle über meine Gedanken zu verlieren. Die Vernunft einfach Mal bei Seite lassen. Das schaffe ich bis heute nicht wirklich. Darf ich das demnächst mit einer neuen Partnerin ausleben? Ich freue mich jedenfalls schon jetzt auf einen gewaltigen Adrenalinschub. Wird schon hinhauen, der Frühling steht ja vor der Tür . . .

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Donnerstag, 8. März 2007
Entzug 8
Forum und Chat



Wieder zu Hause, verbrachte ich die Abende vor dem Computer. Ich kapselte mich ab, auch als meine Freundin vom Urlaub zurückkam, konnte ich die Distanz nicht richtig aufheben.

Ich verbrachte Stunden im forum-alkoholiker.de, im Forum selber, später dann auch im Chat. Ich möchte an dieser Stelle den Betreibern der Forums herzlichst danken! Ich weiss nicht, ob ich’s ohne gepackt hätte. Nicht, dass ich das Reissen hatte, das war vorbei. Aber ich hätte nicht gewusst, was ich nun plötzlich mit all der Zeit anfangen könnte.

Meine Sucht war also verlagert. Allerdings gleich auf mehrere Dinge. Forum, Sudoku, Kaffe, Schokolade und Essen überhaupt. Schaden konnte das nicht, an Gewicht darf ich ruhig noch zulegen, die anderen «Süchte» habe ich später nach und nach vergessen.

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Donnerstag, 8. März 2007
Entzug 7
Alkoholfreies Bier



Eines Abend packte mich der Drang nach einem Bier doch etwas gar stark. Sonst hatte sich mein Geschmacksempfinden wesentlich verändert. Ich hatte mich zur Kaffeetante und zum Schockigeniesser gewandelt.

Nun aber bestellte ich ein alkoholfreies Bier. Dann noch ein zweites. Sicherheitshalber roch ich daran. Die Kennernase merkte sogleich, dass das ein ganz normales Bier war. Ich gab es zurück und kriegte dann, was ich bestellt hatte. Danach führte ich dann den ganzen Abend einen Kampf gegen das Verlangen.

Am nächsten, wunderschönen Abend, nach dem Essen, begleitete ich meinen Gastgeber in eine Gartenlaube. Kein Wunder, gönnte er sich ein kühles Bier. Ich bestellte wiederum ein alkoholfreies. Zu meiner grossen Überraschung schmeckte mir dieses «Stella Artois» sogar. Alkfreies Bier finde ich sonst wirklich nichts feines.

Dem Kellner sah ich schon nach kurzer Zeit an, dass er schliessen wollte. Mich packte die Angst, dass die Zeit nicht mehr reichen würde, ein Zweites zu bestellen. Dieses Denkmuster kannte ich. Das wollte ich nie mehr erleben. Es blieb mein bisher letztes alkoholfreies Bier.

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Mittwoch, 7. März 2007
Entzug 6
Budapest



In der Phase vor dem Entzug hatte ich es nicht hingekriegt, meinen Urlaub wie gewohnt zu planen. Ein berufliches Projekt stand auf wackligen Beinen, was mich zutiefst verunsicherte. Meine Freundin war bereits weggefahren. Selber buchte ich kurzfristig einen Flug nach Budapest.

Das fand niemand eine gute Idee. Allen voran die Ärztin, aber auch meine Freunde, die mittlerweile im Bild waren. Mich konnte man nicht mehr stoppen. Ich war überzeugt von dem, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte. Eine Einstellung, die ich fortan kultivierte und mir für die ersten Monate seither unabdingbar scheint.

Ich hatte mich auf einen äusserst einsamen Urlaub in einer fremden Stadt eingestellt. Doch, grosse Überraschung: Schon auf dem Flughafen ruft eine Stimme «hallo Stoe!» Jemand schien mich zu kennen. Ich erkannte mein Gegenüber nicht. Er klärte mich auf, dass wir uns an einer Party kennengelernt hatten. Nun konnte ich mich so knapp, aber wirklich nur knapp an ihn erinnern. Was wohl meine Erinnerung so verschleiert hatte?

Nun stellte sich heraus, dass mein Bekannter und seine Frau zeitweise in Budapest leben. Ich verbrachte nun viel Zeit (vor allem Abends) bei ihnen und konnte auch dort wohnen. Die beiden tranken selten einmal ein Glas Wein, so dass da nichts anbrannte.

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Montag, 5. März 2007
Entzug 5
Woche1



Der zweite Tag ist immer der härteste, das wusste ich. Arbeiten konnte ich sozusagen nicht, mir fehlte die Energie. Irgendwie kam ich knapp mit Anstand über die Runden. Essen mochte ich nicht, ich zwang mich mehr dazu.

Ich ging wieder früh zu Bett, schlief ein paar Stunden, lag aber mehrheitlich wach. Ich bemühte mich, wirklich tief zu atmen und positive Gedanken zu verfolgen. Ich hatte Mal irgendwo eine Taktik als Alternative zum Schäfchen Zählen aufgeschnappt: Man solle versuchen, seinen letzten Urlaub zu rekonstruieren. Urlaub, Bahnfahrt, Ankunft etc. alles systematisch der Reihe nach. Das klappte sogar, mein Schlaf war aber nur leicht. So stand ich früh auf, ging ins Büro und – machte nichts.

Vom dritten Tag an hob sich meine Laune merklich. Ich schlief gut. Gegen Ende der Woche war ich so richtig aufgedreht, meine Pendenzen begann ich abzubauen. Bald ertappte ich mich, wie ich meine liebsten Lieder pfiff.

Auch in dieser Woche war ich beim Arzt. Sie wollte mich zwei Mal sehen. Der kalte Entzug ist nicht ungefährlich – sie wusste das. Mir war nicht bewusst, wie gefährlich. Als einzige Medikamente nahm ich übrigens Vitamin-B-Präparate, die sie mir verschrieben hatte.

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Sonntag, 4. März 2007
Entzug 4
4. September 2006



Als ich am Sonntag aufwachte, war ich erstaunlich fit. Die gute Laune hielt grundsätzlich an. Die Sonne schien, ich beschloss, mir einen schönen Sonntag zu machen.

Mit dem Schiff fuhr ich zu einem Restaurant mit einer schönen Gartenterrasse. Erstaunlicherweise hatte ich richtig Kohldampf. Wäre dem nicht so gewesen, hätte ich das Essen zurückgegeben. So schlecht habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen.

Nach dem Essen machte ich einen Spaziergang. Bald wurde mir leicht übel. Nachtessen war kein Thema. Im Gegenteil, erst musste ich das Mittagessen wieder hergeben.

Erstaunlicherweise hatte ich bis am früher Abend überhaupt kein «Reissen» nach Alkohol. Normalerweise begann das schon vor dem Mittag. Nach kurzem, erfolgreichem Kampf und einer warmen Dusche ging ich früh zu Bett. Ich schlief sogar einigermassen gut. Bei früheren Abstinenzexperimenten wälzte ich mich die ganze Nacht hin und her.

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Samstag, 3. März 2007
Entzug 3
3. September 2006



Über einen Monat hin senkte ich meinen Bierkonsum kontinuierlich. In der letzten Woche war es noch ein Liter am Tag. Hand auf’s Herz. Ende Woche war das so. Immerhin.

Einen Riesenabsturz zu feiern vor dem «Tag 1» schien mir eine wirklich schlechte Idee. Ich hatte mir also auch für diesen Samstag eine gewisse Zurückhaltung auferlegt.

Bis zum Nachtessen lag noch alles im grünen Bereich. Ich war nicht darauf vorbereitet, den Abend in grosser Runde zu verbringen. Und da zu einem Käsefondue – etwas vom Leckersten, diese Schweizer Spezialität – Weisswein fast obligatorisch dazugehört (genauso wie ein Gläslein Kirschenschnaps*) kam es, wie es kommen musste. Es wurde ein ausgesprochen lustiger Abend.

Er gipfelte darin, dass ich nach dem Essen meine Hemmungen verlor, was mir ausserordentlich gefiel. In der Bar bombardierte ich den DJ mit Musikwünschen. Dieser gab ordentlich Gas. So habe ich nach Jahren sogar wieder Mal meine schönste Luftgitarre ausgepackt und die längst nicht mehr langen Haare zu hartem Rock geschüttelt.

Um drei Uhr morgens kam ich nach Hause. Besoffen, müde, glücklich. Wohlwissend, dass ich am Sonntag leiden würde. Meine Begleiter wussten übrigens von meinen Vorsätzen nichts. Meine Freundin war bereits im Urlaub.

* Schnaps rührte ich so gut wie nie an, ausser eben zum Fondue

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